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Jahresende 2023: Zwei alarmierende Zahlen, die man nicht vergessen sollte

Wir nähern uns dem Ende des Jahres 2023. Es war unter anderem von der Veröffentlichung zweier alarmierender Zahlen geprägt, die viel über die wirtschaftliche und soziale Lage der Tunesier aussagen. Um sie nicht zu vergessen, rufen wir sie am Vorabend des neuen Jahres 2024 in Erinnerung, damit wir uns ständig mit ihnen beschäftigen. Es steht viel auf dem Spiel. Es geht um die Zukunft der neuen Generationen und um die Qualität ihres künftigen Lebens.

Die erste Zahl betrifft den informellen Sektor, siehe prekäre (unsichere) Selbstständigkeit bzw. Scheinselbstständigkeit. Laut des Nationalen Observatoriums für Beschäftigung und Qualifikationen (ONEQ) arbeiten etwa 1,3 Millionen Menschen im informellen Sektor, die meisten von ihnen sind Frauen. Der informelle Sektor ist der Teil einer Volkswirtschaft, dessen wirtschaftliche Tätigkeit nicht staatlich erfasst, reguliert und kontrolliert wird.

+++ 1,3 Millionen Tunesier sind im informellen Sektor tätig. +++
Dies geht zumindest aus einer Studie hervor, die das Observatorium in Partnerschaft mit dem INS, der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) unter einer Stichprobe von 12.000 Personen, die im informellen Sektor tätig sind, durchgeführt hat.

Vier weitere Schlussfolgerungen aus dieser Studie sind erwähnenswert:

  • Die erste besagt, dass diese Zahl im Vergleich zu den übrigen afrikanischen Ländern zwar akzeptabel, aber im Vergleich zu vielen Ländern im Mittelmeerraum immer noch hoch ist.
  • Die zweite besagt, dass die unregulierte Arbeit in Tunesien alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betrifft, wobei die meisten von ihnen Jugendliche, Frauen, Menschen mit geringer Bildung sowie Hochschulabsolventen sind. Diese Arbeit betrifft insbesondere die Sektoren Landwirtschaft, Baugewerbe, Dienstleistungen und Handel.
  • Die dritte stellt fest, dass informelle Arbeitnehmer unter Schwierigkeiten beim Zugang zu Finanzierungsquellen leiden, zusätzlich zum Fehlen von Programmen zur Unterstützung, Überwachung, Sensibilisierung, Schulung und Begleitung.
  • Die letzte weist darauf hin, dass viele Beschäftigte im informellen Sektor aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht in den organisierten Sektor eintreten wollen oder können.

Die Zahlen zeigen: Es steht viel auf dem Spiel. Es geht um die Zukunft der neuen Generationen und um die Qualität ihres künftigen Lebens.

+++ 3 Millionen Tunesier sind von „Ernährungsarmut“ bedroht +++
Die zweite Zahl wurde von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) veröffentlicht. Laut eines Berichts dieser UN-Organisation sind mehr als 3 Millionen Tunesier von Ernährungsunsicherheit bedroht, von denen 1,5 Millionen ernsthaft mit diesem Schreckgespenst konfrontiert sein werden.

Derzeit, d. h. in diesen Tagen, ist diese Bedrohung u. a. durch folgende Feststellung spürbar: Die einfachsten Gerichte sind heute aufgrund der Inflation und der Verschlechterung der Kaufkraft der Bürger um mindestens 50 % seit 2011 sehr teuer. Die Armen des Landes können aufgrund der explodierenden Preise für die Zutaten keine „Chakchouka“ mehr zubereiten und sich diese auch nicht mehr leisten.
Zur Erinnerung: Dieses traditionelle Gericht der tunesischen Küche auf der Grundlage von Paprika, Zwiebeln, Tomaten und Gewürzen – ein einfaches, aber schmackhaftes Rezept für ein leichtes Mittag- oder Abendessen – ist selbst für den durchschnittlichen Tunesier nicht mehr erschwinglich.

Daher ist es angesichts dieser Zahlen dringend notwendig, über neue Lösungen nachzudenken, um den Nahrungsmittelbedarf der Tunesier zu decken.

Unter den vorgeschlagenen Lösungen: Die FAO empfiehlt, sich an die globale Erwärmung anzupassen, der Tunesien besonders ausgesetzt ist, den Wasserstress zu mildern und die für die Ernährungssicherheit verantwortlichen Landwirte zu unterstützen, indem man sie ermutigt, ihre Aktivitäten aufrechtzuerhalten, um das zu vermeiden, was der Bericht als „Ernährungsarmut“ bezeichnete.

Die jüngsten Krisen, d. h. die Verschärfung der globalen Erwärmung mit ihren Dürren, die Pandemie des Coronavirus Covid 19 und der russisch-ukrainische Krieg, waren besonders hart, um den Tunesiern den Ernst der Lage zu verdeutlichen.

Lernen durch Schock
Abgesehen von diesen beunruhigenden Zahlen sind wir (Webmanagercenter) der Meinung, dass die Regierungen, die seit der Unabhängigkeit des Landes aufeinander folgten, die volle Verantwortung für diese Bedrohungen und ihr Ausmaß tragen. Sie haben sich stets für inkohärente kurzfristige und nicht für langfristige Lösungen entschieden.

In den letzten sieben Jahrzehnten haben sie sich mehr um die Ernährungssicherheit als um die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln gekümmert. Letztere ist dauerhaft, während die Ernährungssicherheit darauf abzielt, allen Bürgern der Bevölkerung eines Landes die physische, soziale und wirtschaftliche Möglichkeit zu garantieren, sich jederzeit ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, ohne sich um die Produktion der Zutaten auf nationaler Ebene zu kümmern.

Was den Parallelmarkt betrifft, so sind wir der Ansicht, dass die Informalität eine legitime Antwort auf die Abschottung des Wirtschaftssystems durch Gesetze ist, die eher den Interessen von Lobbyisten und Kartellen als dem Wettbewerb dienen.

Die Moral der Geschichte: Die oben genannten Bedrohungen entstehen nur, weil die Entscheidungsträger des Landes es vorgezogen haben, durch maßgeschneiderte Gesetze mafiöse Kartelle zu schützen, zu importieren, um den Bedarf der Tunesier zu decken, anstatt die Produktion auf nationaler Ebene zu fördern.

Die jüngsten Krisen, wie die globale Erwärmung mit ihren Dürren, die Corona-Virus-Pandemie und der russisch-ukrainische Krieg, waren besonders hart, um den Tunesiern den Ernst der Lage zu verdeutlichen.

Ein Artikel von Webmanagercenter