Deutsches Archäologisches Institut Rom eröffnet Grabungssaison 2024
Im Rahmen der Grabungssaison 2024 führt das Deutsche Archäologische Institut Rom mehrere archäologische Grabungen in Italien und Tunesien durch. Vom 29. Juli 2024 bis September sind die Wissenschaftler zusammen mit zahlreichen deutschen, italienischen und tunesischen Partnerinstitutionen in Rom auf dem Kapitol, in Ostia, in Castiglione della Pescaia und in Abbir Cella in Tunesien aktiv. In Abbir Cella erforscht Stefano Cespa seit 2018 zusammen mit dem INP (Institut National du Patrimoine) Tunis und der Universität Tübingen vom DAI Rom gefördert einen Teil der antiken Stadt.
In Abbir Cella erforscht Stefano Cespa seit 2018 zusammen mit dem INP (Institut National du Patrimoine) Tunis und der Universität Tübingen vom DAI Rom gefördert einen Teil der antiken Stadt. Ausgegraben wird ein öffentliches Gebäude und ein Monument, bei dem es sich wahrscheinlich um das römische Theater der Stadt handelte. Während seines Aufenthaltes der Grabungssaison 2024 diesen September werden außerdem Funde aus dem letzten Jahr weiteren Untersuchungen unterzogen. Damals wurden in dem öffentlichen Gebäude zahlreiche qualitätvolle bunte Mosaikböden und ein halbkreisförmiges Wasserbecken mit einer Fischszene aus Mosaik zutage gebracht. Bei Untersuchungen im Umland der Stadt konnten außerdem noch Spuren der Grundstücksgrenzen aus römischer Zeit nachgewiesen werden. Diese bildeten ein regelmäßiges, rechteckiges Raster.
Die antike Siedlung Abbir Cella (Henchir en Naâm) liegt im Norden Tunesiens, unmittelbar nördlich des Oued Miliane und der Hauptsiedlung der Region, Thuburbo Maius. Sie befindet sich nur wenige Kilometer von dem sog. schwarzen Kalksteinbruch („Nero antico“) von Djebel Aziz entfernt, der in römischer Zeit in großem Umfang abgebaut wurde. Abbir Cella liegt in einer fruchtbaren Landschaft, deren Böden bis heute vor allem für den Getreideanbau genutzt werden, ergänzt durch Weidewirtschaft und den Anbau von Oliven und anderen Früchten.
Das Projekt zielt insbesondere auf die Schaffung und Entwicklung eines GIS ab, das alle archäologischen Ausgrabungs- und Survey-Daten, topografische Daten und Daten zu den Landschaftsressourcen berücksichtigt, die während der letzten Kampagnen vor Ort ermittelt wurden. Dieses GIS soll diese Daten in einem integrierten System untersuchen und verschiedene Analysen zur Landschaftsentwicklung, Ressourcennutzung und Geoverarbeitung durchführen.
Die Verarbeitung von georeferenzierten, multitypologischen Datenbanken wird sich insbesondere auf die Beziehung zwischen Menschen, Umwelt und Ressourcen konzentrieren. Diese Analysen könnten sehr nützliche Informationen über Siedlungsentscheidungen sowie Interpretations- und Vorhersagemodelle für die Entwicklung von antiken Siedlungen liefern.
Den Reigen der Grabungssaison 2024 eröffnen allerdings die Arbeiten in Ostia antica. Seit letztem Jahr gräbt dort der stellvertretende Direktor der Abteilung, Norbert Zimmermann, zusammen mit Sabine Feist (Christliche Archäologie, Universität Bonn) und Michael Heinzelmann (Klassische Archäologie, Universität zu Köln), gefördert von der DFG (Projektnummer 507752214), in Kooperation mit Emanuela Borgia (Dipartimento di Scienze dell’Antichità, Università La Sapienza, Roma) und dem Parco Archeologico di Ostia antica. Das internationale Team erforscht die Bischofskirche von Ostia in möglichst großflächiger Ausgrabung mit Student*innen aller drei Universitäten sowie dieses Jahr auch des Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana (PIAC). Die Kathedrale von Ostia ist die einzige von Konstantin dem Großen (mit-)gestiftete Kirche, die nicht später überbaut wurde, so dass sie einen einzigartigen Einblick in den frühen Kirchenbau bietet. Im Fokus steht 2024 der Westteil der Kirche. Die Arbeiten des letzten Jahres im Ostteil der Kirche erbrachten bereits wichtige Erkenntnisse zur Konstruktion der Apsis und verschiedenen Nutzungsphasen.
Im Rahmen des »Prile-Projektes« ist in Castiglione della Pescaia (Grosseto) im Herbst in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geographische Wissenschaften der Freien Universität Berlin eine Bohrkampagne geplant. Camilla Colombi erforscht dort seit 2016 die antike Besiedlung und die Paläoumwelt am Nordufer der heute verlandeten Lagune bei Grosseto.
Die vom DAI finanzierte Arbeit hat zu einer neuen Rekonstruktion der antiken Lagune bei Vetulonia geführt sowie zur Entdeckung einer ausgedehnten etruskischen Anlage unweit von dessen Ufer. Die Kampagne 2024 hat zum Ziel, mittels Bohrungen die Rekonstruktion des Lagunenufers zu ergänzen. Das Forschungsprojekt wird durch eine Kooperation mit der Gemeinde von Castiglione della Pescaia unterstützt.
Angedacht sind im Verlauf des Sommers auch weitere Arbeiten auf dem Kapitol. Das 1829 in Rom auf dem Kapitol gegründete Instituto di Corrispondenza Archeologica ist die Keimzelle des heutigen weltweit operierenden Deutschen Archäologischen Instituts.
Eckpfeiler des DAI Rom sind seine berühmte Präsenzbibliothek, die Fotothek, die Diskussionsforen sowie die wissenschaftliche Publikations- und Forschungstätigkeit. Neben Grabungs- und Aufarbeitungsprojekten stehen die antike Bilderwelt und Architektur im Interesse der am DAI Forschenden. Thematische Schwerpunkte bilden die antike Religiosität, der Umgang mit dem Tod, Mobilität und kultureller Austausch, die Interaktion von Mensch und Umwelt sowie der Städtebau. Dazu kommt – auch auf Basis des eigenen Archivbestandes – die Wissenschaftsgeschichte. Die hauseigene Redaktion verfolgt das Ziel archäologische Entdeckungen auf dem Gebiet der Archäologie Italiens und Nordafrikas zu sammeln und regelmäßig zu publizieren. Das Institut bietet so Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Italien und aller Welt einen Ort der Wissensgenerierung, des wissenschaftlichen Austausches und nicht zuletzt auch der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Durch seine mittlerweile 195 Jahre andauernde Präsenz im Gastland Italien ist eine Vertrauensbasis erwachsen, die die zentrale Grundlage für alle Forschungsvorhaben der Abteilung bildet. Zugleich ist das römische Institut ein wichtiger Pfeiler der deutschitalienischen Kulturbeziehungen.
Quelle(n), Bilder und weiterführende Informationen: IDW | Deutsches Archäologisches Institut