Der Vernachlässigung preisgegeben: Die Medina Sfax im Zerfall
Früher beschrieb Marius Bernard in seinem Buch „Les Côtes Barbaresques“ (Die Barbareskenküste) Sfax als „eine Stadt unter einer weißen Hülle, mit Stadtmauern, die aussehen, als wären sie in der Nacht zuvor gebaut worden, mit Häusern, deren Füße in den Wellen zu stehen scheinen, mit Türmen, Zinnen, rosa Kuppeln, über denen der Halbmond thront…“. Während das, was heute in der Medina Sfax geschieht, ein Verbrechen gegen unsere Geschichte und unsere Kultur ist. Es ist mehr als eine Nachlässigkeit oder eine Reihe von unbedachten Entscheidungen!
Die Medina von Sfax, eine arabisch-islamische Stadt, die sich hinter ihren 2.750 m langen Stadtmauern mit einer Fläche von 24 Hektar versteckte, war ein wahres Juwel am Mittelmeer. Sie wurde 849 n. Chr. gegründet und war ein Spiegelbild unserer kulturellen Identität und ein lebendiges Zeugnis der Generationen, die vor uns lebten. Heute zerfällt diese Medina vor den Augen ihrer Bewohner und der Behörden. Man muss nur einen Spaziergang durch ihre Gassen machen, um das Ausmaß der Schäden spürbar zu erkennen.
Wo sind die Restaurierungsprojekte?
Ein wertvoller Teil des architektonischen Erbes wird in Schutt verwandelt und löscht die Spuren unserer Vorfahren und die lokale Identität aus, die von der sozialhistorischen Vergangenheit von Sfax zeugen. Und neue anarchische Konstruktionen, wie die der Dächer auf den Straßen der Medina, sind entstanden und verunstalten ihr architektonisches Erscheinungsbild, abgesehen von den Klimaanlagen, die an den Fronten von Häusern und Geschäften installiert wurden.
Schlimmer noch, der Müll liegt überall herum und spricht Bände über die Laxheit der Behörden, die ihrer Pflicht, dieses unschätzbare Erbe zu schützen, nicht nachgekommen sind, obwohl sie alle Macht haben, das Gesetz durchzusetzen und jeden Zuwiderhandelnden zur Ordnung zu rufen. Die Vernachlässigung dieser Grundstücke bis zu ihrem Abriss ist ebenfalls ein Grund dafür.
Wo sind die Projekte zur Aufwertung und Restaurierung der Stadtmauern, die vom Nationalen Institut für Kulturerbe geplant wurden? Alle Initiativen, die im Hinblick auf die Aufnahme der Medina von Sfax in das UNESCO-Weltkulturerbe ergriffen wurden, sind ins Wasser gefallen.
Was für eine Verleugnung! Ist das die Art und Weise, wie wir unsere Vorfahren ehren, die sogar bis zur Zerstörung unserer Geschichte geht?
Die Medina in Gefahr!
Zwei Fragen, die gestellt und sofort beantwortet werden sollten: Wie kann dieses Kulturerbe gerettet werden? Welche Strategie sollte man verfolgen, um dieses Denkmal zu retten und es vor dem Einsturz zu schützen?
Ein solches Szenario, das viel schlimmer ist, als man es sich vorstellen kann, sollte um jeden Preis verhindert werden.
Es reicht nicht aus, einen Aushang zu machen, wie es in unserer besagten Siedlung der Fall ist, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass das Gebäude zu zerfallen droht, sondern es müssten alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, wie zum Beispiel die Einrichtung eines Sicherheitsbereiches, der solchen Notsituationen gerecht wird.
Experten sind gefragt
So sollten die Behörden Experten hinzuziehen, um die strukturelle Stabilität zu bewerten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. So sollten sie tragfähige Sanierungspläne entwickeln und fundierte Entscheidungen treffen. Die Behörden könnten auch mit nationalen NGOs und internationalen Organisationen wie der UNESCO, die sich auf die Erhaltung des Kulturerbes spezialisiert hat, zusammenarbeiten. Das Gesetz über das Kulturerbe legt fest, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn es sich um ein privates Gut handelt, das mehreren Erben gehört. Daher müssen die Behörden ihre Verantwortung wahrnehmen, um historische Gebäude, die vom Verfall bedroht sind, zu schützen und die kulturelle Identität der Region Sfax zu bewahren. Dies geschieht in erster Linie durch den Fortbestand der Medina.
Das Überleben unseres wertvollen kulturellen und architektonischen Erbes hängt von unserem Willen ab, angemessen und entschlossen zu handeln und die so folkloristischen und nostalgischen Besuche beiseite zu lassen, die zu nichts mehr taugen und keine konstruktiven Überlegungen zu den Strategien zur Erhaltung dieses Erbes ermöglichen.
Bilder: S.O.S Médina de Sfax
Dieser Artikel ist in französischer Sprache bei La Presse erschienen.