Zivilschutz

THW: Zehn Jahre Ehrenamt in Tunesien

In den vergangenen zehn Jahren kooperierten das Technische Hilfswerk (THW) und die Katastrophenschutz-Profis des „Office National de la Protection Civile“ (ONPC) beim Aufbau ehrenamtlicher Strukturen im tunesischen Bevölkerungsschutz. Dabei wurden vom THW 240 unterschiedliche Fahrzeuge für die nach dem sogenannten „arabischen Frühling“ neu gegründeten Ehrenamtsvereine in Tunesien zur Verfügung gestellt. Darunter waren auch Neufahrzeuge. „Die heute immer noch THW-blauen, vorwiegend aus THW-Ortsverbänden abgegebenen Fahrzeuge, tun heute unter anderem in Tataouine, Bizerte, Kef oder Medenine bei Einsätzen wichtige Dienste“, weiß THW-Präsident Gerd Friedsam von seinen Besuchen in Tunesien. Jüngst fand die 20. Übergabe von ausgesonderten THW-Fahrzeugen statt. Aber bereits seit 1970 unterstützt das THW Tunesien immer wieder bei Notlagen und pflegt seitdem enge Beziehungen zur Partnerbehörde ONPC.

Zur besonderen Würdigung des freiwilligen Engagements im tunesischen Bevölkerungsschutz wurde am Wochenende der erste Ehrenamtstag des Landes im Zivil- und Katastrophenschutz in der Hauptstadt Tunis begangen. Die Teilnehmenden aus dem ganzen Land und von 19 Ehrenamtsvereinen zeigten dabei ihre Leistungsfähigkeit für die Gesellschaft. Routiniert nutzten sie die Technik, die ihnen seit ihrer Grundausbildung vertraut ist. Sie arbeiteten unter anderem mit Ketten, Spanngurten, Drahtseilen, Schere und Spreizer. Auch demonstrierten die ehrenamtlichen Fachleute, wie man Einsatzstellen richtig absichert, Lasten gefahrlos bewegt und Personen aus Notlagen rettet. All das ist Teil der Grundausbildung für die Ehrenamtlichen beispielsweise aus Bizerte im Norden Tunesiens, aus Sidi Bouzid und Gafsa in der Mitte oder Tataouine im Süden des Landes. An 17 von 19 Ehrenamtsstandorten in Tunesien haben bisher 677 Freiwillige eine Grundausbildung nach THW-Beispiel und mit vom THW gelieferter Technik absolviert. Außerdem erhalten die tunesischen Ehrenamtlichen von ONPC in den Bereichen Brandbekämpfung und Erste Hilfe eine zusätzliche Ausbildung.

Noch bevor die erste dieser Ehrenamtsausbildungen vor rund zehn Jahren im tunesischen Jendouba stattfand, waren die ONPC-Ausbilderinnen und -Ausbilder bei „Train the Trainer“-Schulungen in Deutschland auf die Arbeit mit Ehrenamtlichen vorbereitet worden. In THW-Ortsverbänden lernten sie von ehrenamtlichen THW-Ausbilderinnen und -Ausbildern den sachgerechten Umgang mit der neuen Technik und einen motivierenden Umgang mit Freiwilligen.

Die tunesischen Ehrenamtlichen lernen, mit technischer Ausstattung, wie zum Beispiel Stromerzeugern, umzugehen.
Die tunesischen Ehrenamtlichen lernen, mit technischer Ausstattung, wie zum Beispiel Stromerzeugern, umzugehen. (Bild: THW)

Parallel beschaffte das THW die Ausstattung für die zum Teil neu gegründeten tunesischen Ehrenamtsvereine. „Das war eine sehr intensive Zeit des Aufbruchs“, erinnert sich der ehemalige THW-Mitarbeiter Dr. Thomas Hönicke, der maßgeblich am Aufbau der Kooperation beteiligt war. Weiter führt er aus: „Auf Basis der Anforderungen in Tunesien sowie mit unserer Erfahrung legten wir alle Einsatzoptionen gemeinsam fest und beschafften die erforderliche Technik sowie persönliche Schutzausstattung für die tunesischen Ehrenamtlichen. Aber vor allem eine fundierte Ausbildung sollte als Basis für kompetente Hilfe im Einsatzfall erfolgen“, so Dr. Hönicke. Dieser Knowhow-Transfer funktioniert auf verschiedenen Ebenen zwischen Deutschland und Tunesien und zwischen Hauptamt und Ehrenamt. „Das hat uns trotz Sprachbarriere und kultureller Unterschiede näher zueinander gebracht“, resümiert auch Dirk Massi, ehrenamtlicher Ausbilder vom THW-Ortsverband im sächsischen Dippoldiswalde, der seit der ersten Ausbildung in Jendouba das Projekt unterstützt. Während er mit anderen THW-Einsatzkräften bei den ersten Ehrenamtsausbildungen in Tunesien noch im Hintergrund agierte, ist dies inzwischen nicht mehr nötig. Die zweiwöchigen Grundausbildungen werden mittlerweile von ONPC an den jeweiligen Ehrenamtsstandorten alleine durchgeführt.
Besonders hervorzuheben ist das große Engagement tunesischer Frauen, die teils 40 Prozent der Mitglieder in ihren Standorten stellen. Im Laufe der Jahre kamen zu den Grundausbildungen weitere Lehrgänge mit verschiedenen Schwerpunkten hinzu, wie beispielsweise der Lehrgang zur Wartung und Pflege des übergebenen Materials, der zuletzt im Mai 2023 mit sieben THW-Fachleuten und 18 tunesischen Einsatzkräften in der Region Kef durchgeführt wurde.

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Seit 2012 fördert das Auswärtige Amt die THW-Projektarbeit in Tunesien mit bisher rund 17,25 Millionen Euro. „Seit über zehn Jahren geben wir unsere THW-Standards weiter. Auch in Jordanien und im Irak arbeiten wir mit den jeweiligen Partnerbehörden am Aufbau ehrenamtlicher Strukturen im Katastrophenschutz“, erläutert THW-Präsident Gerd Friedsam und ergänzt: „Nach zehn Jahren können wir sagen, dass unser gemeinsames Konzept aufgegangen ist: Tunesien verfügt heute über einen landesweiten, haupt- und ehrenamtlich getragenen Bevölkerungsschutz. Das ist für mich persönlich, aber vor allem auch für alle an diesem Projekt Beteiligten, ein toller Erfolg.“

Das THW nutzt dieses zehnjährige Jubiläum, um im Laufe des Jahres regelmäßig über Meilensteine des tunesisch-deutschen Projekts und über die Fortführung der Kooperation zu berichten. Weitere Informationen sowie Fotos finden Sie hier.

Info: Das THW ist die ehrenamtlich getragene Einsatzorganisation des Bundes. Das Engagement der bundesweit mehr als 85.000 Freiwilligen bildet die Grundlage für die Arbeit des THW im Bevölkerungsschutz. Mit seinen Fachleuten, seiner Technik und seinen Erfahrungen ist das THW im Auftrag der Bundesregierung weltweit gefragt, wenn Notlagen dies erfordern. Neben bilateralen Hilfen gehören dazu auch technische und logistische Aufgaben im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Europäischen Union sowie im Auftrag von VN-Organisationen.

Quelle & Bilder: THW