ArchäologieJendouba

Simitthu (Chimtou, Chemtou) – Antike Stadt im Gouvernorat Jendouba (Aktualisiert)

Update 18. Dez. 2019: Das Archäologische Museum von Chimtou wurde im Dezember 2019 wiedereröffnet. Diese Einrichtung wird vom Deutschen Institut für Archäologie im Rahmen der Transformationspartnerschaft unterstützt. Derzeit wird dort auch ein Archäologisches Projekt durchgeführt.
Chimtou (Chemtou) befindet sich im äußersten Nordwesten Tunesiens, etwa 23 Kilometer westlich der Provinzhauptstadt Jendouba. Es liegt am Mittellauf des Oued Medjerda (röm. Bagradas), des größten immer wasserführenden Flusses des Landes. In der Antike war Chimtou unter dem Namen Simitthu (auch Simithu oder Simitthus) bekannt.

Die Römer schätzten die Stadt für ihre Steinbrüche, in denen der gelbe „marmor numidicum” oder „giallo antico” abgebaut wurde, einer der am meisten geschätzten Marmore des Römischen Reiches. Entsprechend vielfältig sind die archäologischen Funde in der Region.

Chimtou ist zwar vor allem für den Marmorabbau in römischer Zeit bekannt, die Region war jedoch bereits ab prähistorischer Zeit kontinuierlich besiedelt und zog ihren Reichtum aus der großen landwirtschaftlichen Fruchtbarkeit des Medjerda-Tals. Die Besiedlungsgeschichte reicht mindestens vom 4./5. Jh. v. Chr. bis in das 9./10. Jh. n. Chr.. Bereits in vorrömischer Zeit herrschte ein reger Rohstoffabbau. So wurden in Ain el Ksair schwarzer Marmor und Kalkstein, bei der nahegelegenen byzantinischen Siedlung Bordj Hallel grüner Kalkstein und in Thuburnica gelber Sandstein abgebaut.

Alter Marmorsteinbruch - Bild: Karl-Heinz Gompf - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19071540
Alter Marmorsteinbruch – Bild: Karl-Heinz Gompf – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19071540

Punisch-numidische Siedlung

Die numidische Siedlung mit Straßen, Kanälen und Wohnbereichen wurde in den 1980er Jahren im Bereich des römischen Forums entdeckt. Sie lag an der Kreuzung zweier wichtiger Straßen von Karthago nach Hippo Regius und von Thabarca nach Sicca Veneria und einem Flussübergang und bestand vom frühen 2. Jh. v. Chr. bis in das 1. Jh. n. Chr. Sie war punisch beeinflusst, was sich unter anderem an der Bauweise und dem verwendeten Maßsystem ablesen lässt. Zu ihr gehört eine unter dem römischen Forum erhaltene vorrömische Nekropole aus dem 4. bis 1. Jahrhundert v. Chr. mit monumentalen Grabbauten, die zum Teil rekonstruiert wurden. Bereits seit ihrer Entstehungszeit bestanden weitreichende Handelskontakte für Marmor in den Mittelmeerraum.

Numidische Grabbauten unter römischem Forum - Bild: Daniela Gauss - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013033
Numidische Grabbauten unter römischem Forum – Bild: Daniela Gauss – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013033

Römische Stadt

Die Stadt wurde um 27. v. Chr. römische „Colonia“ mit dem Namen „Colonia Iulia Augusta Numidica Simithu“. Im 1. Jahrhundert v. Chr. begann unter Augustus, dem neuen Besitzer der Steinbrüche, der Gesteinsabbau in großem Stil. Marmor numidicum war in der römischen Oberschicht als Luxusartikel gefragt und hatte einen hervorragenden Ruf. Mit ihm wurden kaiserliche Prunkbauten errichtet und dafür nach Rom transportiert. Die Wohnstadt Simitthu entwickelte sich parallel mit dem Aufblühen der Steinbrüche. Im frühen Mittelalter des 7. Jahrhunderts n. Chr. wurde das Areal aufgegeben und auch das städtische Leben erlosch. Die jüngsten großflächigen Siedlungsstrukturen sind früharabisch und stammen aus aghlabidischer und fatimidischer Zeit, also dem 9. und 10. Jh. n. Chr..

Römisches Forum - Bild: Daniela Gauss - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013029
Römisches Forum – Bild: Daniela Gauss – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013029

Die Zeugnisse der langen Siedlungsgeschichte Chimtous sind auf den Felsrücken bzw. an ihren Süd-, West- und Nordhängen teilweise erhalten geblieben. In Simitthus gab es all jene Gebäude, die regelhaft in römischen Städten zu finden sind: Ein Amphitheater, ein Bühnentheater, ein Forum mit Forumsbasilika und Fontäne, eine dreischiffige Markthalle, ein Nymphäum, zumindest drei Thermenkomplexe (Stadtbäder), mehrere Ehrenbögen, mindestens fünf frühchristlich-byzantinische Kirchenbauten und ein als Kaiserkultbau interpretiertes Gebäude im Nordwesten der Stadt, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um einen sogenannten italischen Podiumtempel oder temple italique handelt. Außerdem befanden sich am Djebel Bou Rfifa zwei weitere römische Heiligtümer, die Tempelbezirke der Dii Mauri am Osthang und der Caelestis am Westhang.

Römische Basilika im Forumsbereich - Bild: Daniela Gauss - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013149
Römische Basilika im Forumsbereich – Bild: Daniela Gauss – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013149

Die Brücke über den Medjerda

Als größtes Brückenbauwerk Nordafrikas mit einer aus architekturgeschichtlicher und ingenieurbautechnischer Sicht herausragenden Bedeutung gilt die römische Brücke über die Medjerda. Sie führte die römische Straßenverbindung zwischen Thuburnica und Sicca Veneria bei Simitthus über den Fluss. Im Schwemmland des stark mäandrierenden Flusses machten die schwierigen Gründungsverhältnisse und die alljährlich wiederkehrenden Hochwasser den Bau zu einer riskanten Unternehmung. Im 1. Jh. n. Chr. wurde zum ersten Mal der Versuch eines Brückenbaus unternommen, allerdings bestand diese erste Brücke nicht über das Jahrhundert hinaus. 112 n. Chr. wurde durch Trajan ein Neubau gestiftet, wie einer Weiheinschrift zu entnehmen ist, die man im Museum Chimtou anschauen kann.
Zum Bau der Brücke wurde wahrscheinlich der Fluss temporär umgeleitet. Eine 30 Meter breite und 1,5 Meter dicke Gründungsplatte aus Holzkästen, die mit einem Kalk-Mörtel-Stein-Gemisch (Caementicium) gefüllt waren, wurde auf das Flussbett gesetzt. Ihre Oberseite war mit einem Belag von Steinquadern gesichert. Diese Konstruktion wurde aber durch den stark wechselnden Wasserstrom sehr stark beansprucht und wurde deshalb später verstärkt. Die Festigungsmaßnahmen konnten die Unterspülung des Plateaus jedoch nicht aufhalten, was schließlich zum Einsturz der Brücke im 4. Jahrhundert führte. Seither bilden die Reste des Bauwerks ein beeindruckendes Trümmerfeld.
Die Brücke hatte drei Bogenöffnungen, von denen nur eine als Wasserdurchlass diente, so dass sie gleichzeitig ein Staudamm war. Lediglich der südlichste Brückenpfeiler steht noch an seiner ursprünglichen Stelle. Als Material für die Quader wurden grünlicher Kalkstein aus Bordj Helal, grauer Marmor/Kalkstein aus Ain El Ksir und gelbe Steinblöcke unbekannter Herkunft verwendet.

Römische Brücke über den Medjerda - Bild: Philipp von Rummel - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013028
Römische Brücke über den Medjerda – Bild: Philipp von Rummel – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17013028

Das Archäologische Museum von Chimtou

Ab 1992 wurde in Chimtou ein archäologisches Museum eingerichtet und 1997 eingeweiht: das Musée Archéologique de Chimtou. Bei den Bauarbeiten kam es 1993 zu einem spektakulären Goldfund von 1.447 Münzen aus römischer Zeit. Im Museum sind die Ergebnisse der Forschungen von 1965 bis 1995 ausgestellt. Im zentralen Innenhof kann die rekonstruierte Fassade des hellenistisch-numidischen Höhenmonuments mit den bedeutenden Fragmenten der Architekturdekoration aus dem 2. Jh. v. Chr. in Originalgröße besichtigt werden. Außerdem wurde 1999 ein Film erstellt, der die Forschungsergebnisse zwischen 1965 und 1999 in fünf verschiedenen Sprachen zusammenfasst.

Archäologisches Museum von Chimtou - Bild: Uwe Bigalke - Uwe Bigalke, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5678565
Archäologisches Museum von Chimtou – Bild: Uwe Bigalke, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5678565

Das Archäologische Museum von Chimtou wurde im Dezember 2019 wiedereröffnet. Diese Einrichtung wird vom Deutschen Institut für Archäologie im Rahmen der Transformationspartnerschaft unterstützt. Derzeit wird dort auch ein Archäologisches Projekt durchgeführt.

Titelbild: Philipp von RummelEigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

Quellen:
Wikipedia
Museum Chimtou
Deutsches Archäologisches Institut (DAI)