Kolonisation der Insel Tabarca – Oder was Sardinien mit Tunesien zu tun hat
Im Jahre 1542 starteten die Einwohner von Pegli und den benachbarten Gemeinden an der ligurischen Küste im Gefolge der Lomellini, einem stattlichen Handelsgeschlecht von Pegli/Genua, und ließen sich auf der Insel Tabarca vor der Küste Tunesiens nieder, wo sie bis ins Jahr 1735 nach Korallen tauchten und damit Handel trieben.
Im Jahr 1540 hatte die in Pegli mit reichen Besitz ausgestattete Familie der Lomellini von Kaiser Karl V. eine Konzession für die Insel Tabarca vor der tunesischen Küste erworben, für die sie einen Administrator ernennen durfte. Die Insel ist nur knapp ein viertel Quadratkilometer groß und liegt 400 m vor der tunesischen Küste. Vermutlich stand die Konzession im Zusammenhang mit dem Freikauf des berüchtigten Piraten Turgut Reis um 3500 Dukaten von der genuesischen Familie Doria durch Khair ad-Din Barbarossa.
1542 zogen 300 Familien, ca. 1000 Personen nach Tabarca. Dort hatten die Lomellini bereits eine Festung auf dem Gipfel errichtet. Die Kolonisten mussten die Korallen für 4,50 Lire das Pfund an die Lomellini verkaufen, die sie ihrerseits für 9,10 Lire weiter verkauften. Allerdings gab es Probleme mit den benachbarten Sarazenen unter dem Bey von Tunesien und Algerien (Schmuggel, Piraterie und Sklavenjagd). Ebenso mit Franzosen, die die Insel zu besetzen suchten bzw. die Sarazenen gegen die unliebsame Konkurrenz aufwiegelten.
1633 versuchte der Korse Gudicelli vergeblich die Insel zu erobern. Durch die feindlichen Aktivitäten, die fortgeschrittene Ausbeutung der Korallenbänke und die starke Überbevölkerung verlor Tabarca an Attraktivität. Es soll sogar ein Heiratsverbot unter Androhung von Verbannung gegeben haben.
Neue Kolonien
1736, unter Karl Emanuel III., interessierten sich Tabarcer für die bislang unbewohnte südwestlich vor Sardinien gelegene Insel San Pietro. Ein Plan, 1.000 Kolonisten von Tabarca auf die neue Insel zu bringen, mit dem Versprechen die Korallen zu den bisherigen Konditionen handeln zu dürfen, wurde gemacht.
1737 wurde auf San Pietro die Stadt Carloforte gegründet, zu Ehren des Königs nannten sie den neuen Ort Carloforte (Karl der Starke). 118 Familien bewohnten nun die Insel. Über die Korallenfischerei hinaus wurde der Thunfisch gejagt, Salz produziert, Landwirtschaft betrieben und die Carloforter waren bald berühmt für ihre Schiffbaukunst. Während viele weitere Auswandererfamilien direkt aus Ligurien in die aufblühende Kolonie von Carloforte zogen, verlor Tabarca die meisten seiner Einwohner. Die Lomellini versuchten vergeblich, die Insel zu verkaufen.
1741 nahm der Bey von Tunesien die Insel mit acht Galeeren ein und führte ihre etwa 900 verbliebenen Bewohner in die Sklaverei. Karl Emanuel III. zahlte ein Lösegeld von 50.000 Zechinen, doch es dauerte bis weit in die 50er Jahre hinein, bis alle Sklaven ausgelöst waren.
1793 besetzten die Franzosen die Insel, um auf ihr einen Marinestützpunkt zu errichten. Die Spanier intervenierten und nahmen 625 Franzosen gefangen.
1798 überfiel der Bey von Tunesien erneut die Insel und nahm 800-900 Gefangene, 1.000 weitere Bewohner konnten fliehen. Die Gefangenen wurden in Tunis als Sklaven gehalten, eine von ihnen wurde Mutter des Beys Ahmad I. al-Husain. Nach mehreren Lösegeldzahlungen waren die Sklaven 1803 wieder befreit. Von da an hatte die Insel Frieden.
Die Insel Tabarca ist heute über einen unter den Türken errichteten Damm mit dem Festland verbunden. Die Mauern der Festung stehen bis heute und sind ein beliebter Ausflugspunkt.
Eine weitere Kolonie wurde vor der sichereren Küste von Alicante unter dem Namen „Nueva Tabarca“ gegründet. Deren Bewohner verloren aber, im Gegensatz zu Carloforte, den engen Bezug zu Pegli und nahmen die spanische Sprache an.
Die Nachkommen der früheren Bewohner von Tabarka, Tabarchini genannt, sind in der ganzen Welt verstreut, überwiegend in Genua, an der ligurischen Küste, in Gibraltar, in Boca bei Buenos Aires und in anderen Hafenstädten. Sie werden auf insgesamt 18.000 Personen geschätzt.
Die Sprache der Tabarchiner entspricht eng der ursprünglichen ligurischen Sprache des 15. Jahrhunderts, durch persönliche und Handelsverbindungen, sei es aus Tunesien, als auch von der Insel San Pietro hat sie sich ebenso weiterentwickelt wie die eigentliche ligurische und Genueser Sprache. Als Einflüsse von außen sind nur einige wenige Substantive aus dem Sardischen, Tunesisch-Arabischen und dem Toskanischen festzustellen. Mehr als 80 % der Bevölkerung sprechen heute noch diesen Dialekt im Alltag.
Fotos: Wikipedia
Quelle(n): Wikipedia & Verschiedene