Die beste Tourismussaison 2023 muss sich ihren alten Dämonen stellen
Der aktuelle Buchungsstand, den die Reiseveranstalter verzeichnen, lässt auf eine außergewöhnliche Tourismussaison 2023 schließen. Die Bestätigung dafür kam von der ITB Berlin, die gestern in der deutschen Hauptstadt ihre Pforten schloss. Doch trotz dieser günstigen Konjunktur drückt die gesamte Branche die Daumen, dass die Prognosen eintreffen, und betet um Lösungen für die Probleme, vor allem die betrieblichen, mit denen sie konfrontiert ist. So bereiten den Hotels derzeit die Versorgungslage mit Rohstoffen, die Personalsituation, sowie massiv gestiegene Steuern und Gebühren die größten Probleme. Zudem befürchten die Reiseveranstalter, dass sie in diesem Sommer nicht über ausreichende Flugkapazitäten verfügen werden, um die Nachfrage nach Tunesien zu befriedigen.
Die Tourismusbranche könnte versucht sein, sich die Hände zu reiben, da sich die Aussichten auf ein gutes Tourismusjahr am Horizont abzeichnen. Selbst über die Erfolge von 2019 hinaus träumt das Reiseziel davon, 2023 die symbolische Marke von 10 Millionen nicht ansässigen Besuchern – darunter 3 Millionen aus Europa – zu überschreiten. Nicht alle tunesischen Hoteliers hatten diese Rückkehr des europäischen Marktes kommen sehen, denn die Enttäuschungen der Vergangenheit haben sie gelehrt, bis zum Schluss Vernunft walten zu lassen. Sie hatten nicht mit der Rückkehr der traditionellen Reiseveranstalter wie TUI gerechnet, die ein Plus von 14 % für das Reiseziel ankündigten.
Der Grund für die Begeisterung
Das touristische Tunesien dürfte also wieder auf das Niveau von vor der Covid-Krise zurückkehren und sogar noch darüber hinausgehen. Diese Rückeroberung von Terrain erklärt sich größtenteils durch das attraktive Preis-Leistungs-Verhältnis des Reiseziels im Strandsegment gegenüber Konkurrenten wie der Türkei und Griechenland, die ihre Preise in diesem Jahr sehr stark erhöht und dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.
Die tunesischen Hoteliers haben zwar ebenfalls Preiserhöhungen vorgenommen, und sei es nur, um die aktuelle Inflation auszugleichen. Allerdings waren die Preisnachlässe im Rahmen der Frühbucherangebote höher als erwartet. Dies war jedoch kein Grund zur Reue, da die Maschine wieder angekurbelt werden musste.
Versorgung mit Rohstoffen und Grundnahrungsmitteln
Aber das Hauptproblem der Saison für die Hoteliers liegt woanders. Ihre größte Sorge wird es sein, sich mit Rohstoffen versorgen zu können. Auf einem Markt, auf dem sich der Mangel an Milch, Kaffee, Zucker und anderen Grundnahrungsmitteln sowie massiv gestiegene Preise schmerzlich bemerkbar macht, wissen die Betreiber, dass sie mit den Aufsichtsbehörden die richtigen Mechanismen festlegen müssen, um dieses Problem, das alle als gravierend darstellen, zu beheben.
Allerdings liegt im Moment die Priorität auf dem lokalen Markt, um dessen Versorgung während des Ramadan nicht zu stören. Nach dem Heiligen Monat wird der Sektor jedoch erkennen, wie wichtig es ist, seine Kühl- und Lagerräume wieder aufzufüllen.
Mangel an Arbeitskräften und Qualität der Dienstleistungen
Eine weitere große Sorge für die Saison ist der Mangel an Arbeitskräften in den Hotels. Es herrscht ein eklatanter Mangel an Fachkräften. Wenn es nicht gelingt, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, wird befürchtet, dass die Servicequalität stark darunter leiden wird. Die Hoteliers haben Lösungen auf den Tisch gelegt, wie z. B. Rentner für die Saison zu reaktivieren, damit diese die Jugendlichen betreuen und ihnen zur Hand gehen. Die geltenden gesetzlichen Regelungen lassen hier jedoch leider keine freie Handlungsmöglichkeit zu.
Die Sorge um die Qualität der Dienstleistungen ist umso größer, als es Dutzende von Hotels gibt, die noch geschlossen sind. Wenn sie kurz vor Beginn der Tourismussaison 2023 ohne vorherige Vorbereitungen wiedereröffnet würden, könnte dies dem Image des gesamten Reiseziels schaden. Die Inspektoren der Tourismuskommissariate in den Regionen werden diesen Sommer zweifellos alle Hände voll zu tun haben.
Die Küstenschutzorganisation APAL und ihre neuen Überlegungen
Die Beziehung zwischen Hoteliers und dem Strandpolizisten, der Agentur für den Schutz und die Gestaltung der Küste (APAL), ist alles andere als gut und bleibt noch immer sehr angespannt. Nicht nur, weil die zahlreichen Zerstörungen, die in letzter Zeit an der Infrastruktur einiger Hotels vorgenommen wurden (aufgrund von durchgeführten Gerichtsbeschlüssen), ein Klima der Feindseligkeit geschaffen haben, sondern auch, weil die neuen Gebühren, die die Hoteliers für die Nutzung der Strände zahlen müssen, als überhöht angesehen werden.
Im Rahmen einer Befragung erklärte ein Hotelier aus Djerba beispielsweise, dass er bis vor einigen Jahren durchschnittlich 400 bis 500 Dinar pro Jahr an die APAL für die Nutzung des öffentlichen maritimen Raums (Domaine public maritime, DPM) gezahlt habe. Nun werde sich die Rechnung auf fast 50.000 Dinar pro Jahr belaufen, da APAL nun für jeden Sonnenschirm, der von einem Hotel am Strand aufgestellt wird, 85 Dinar pro Stück berechnet.
Die neuen Ausgaben gehen jedoch noch weiter, da nun auch eine Steuer auf die im Sand vergrabenen Rohre der Thalassotherapiezentren erhoben wird, die für das Sammeln des Meerwassers vor der Küste benötigt werden.
Nicht verfügbare Plätze in Flugzeugen
Trotz der vermeintlich zum Optimismus anregenden Buchungsquote befürchten die Reiseveranstalter auch, dass sie in dieser Tourismussaison 2023 nicht über ausreichende Flugkapazitäten verfügen werden, um die Nachfrage nach Tunesien zu befriedigen. Die Fluggesellschaften Tunisair und Nouvelair werden auf Hochtouren laufen und keine Möglichkeit haben, über ihre bereits angekündigten Kapazitätsgrenzen hinaus zu fliegen. Die große Frage ist derzeit, ob die Reiseveranstalter die Mittel haben wird, um ihre Ambitionen in Bezug auf das Reiseziel hinsichtlich der Verfügbarkeit von Flugzeugen für den Höhepunkt im Sommer 2023 zu erfüllen.
Die staatliche Fluggesellschaft hat ihrerseits praktisch ihren gesamten Charterverkehr eingestellt und bietet auf ihren Linienflügen nur noch Sitzplatzkontingente an, sehr zum Leidwesen ihrer Partner, die den goldenen Zeiten nachtrauern, in denen das Geschäft von Tunisair zu 70% von Touristenflügen dominiert wurde.
Die unvermeidliche Swot-Analyse, die von den großen Reiseveranstaltern durchgeführt wurde, hat zwar die Stärken und Chancen, die das Reiseziel bietet, aufgezeigt, aber auch die Schwächen und Bedrohungen, die auf ihnen lasten, wurden berücksichtigt. Dabei stellt die politische Instabilität des Landes zwar nicht das größte Risiko dar, steht aber weit oben auf der Liste der Faktoren, die zu einer Änderung des Managements einer Tourismussaison 2023 führen könnten, die trotz ihres überraschenden Verlaufs bislang eher beruhigend ist.
Quelle: Destination Tunisie