Vorfall am Flughafen Nizza: Ergänzendes Fazit zum Bericht
Der jüngste vorläufige Bericht der französischen BEA (Bureau d’Enquêtes et d’Analyses) hat Aufschluss über einen schwerwiegenden Vorfall mit Verwechslung der Start- und Landebahnen am Flughafen Nizza Côte d’Azur (LFMN) gegeben, an dem eine Maschine der Nouvelair Tunisie vom Typ A320 (TS-INP) und ein Flugzeug der easyJet beteiligt waren. Der Vorfall, der sich in der Nacht des 21. September ereignete, macht deutlich, dass selbst die erfahrensten Flugbesatzungen unter bestimmten Betriebs- und Umgebungsbedingungen Opfer von Wahrnehmungsfehlern werden können.
Bericht der BEA
Der Kapitän der Nouvelair TS-INP, der über 15.000 Flugstunden auf Airbus A320 vorweisen kann, verwechselte unter widrigen Umständen die parallelen Landebahnen 04L und 04R in Nizza. Irren ist menschlich, kein Pilot ist vor Fehlern gefeit. Das gilt auch dann, wenn man alle Anflugverfahren in Nizza bei Tag und bei Nacht beherrscht und sie hunderte Male im realen Betrieb und unzählige Male im Simulator durchgeführt hat. Tatsächlich gelten Anflüge auf Nizza unter Piloten als einige der anspruchsvollsten in Europa. Landungen auf den Landebahnen 22R und 22L sind aufgrund ihrer anspruchsvollen Anflugprofile und Geländebeschränkungen sogar nur Kapitänen vorbehalten.

Die BEA räumte ein, dass es in Nizza in der Vergangenheit bereits zu ähnlichen Verwechslungen von Landebahnen gekommen ist. Der Vorfall vom 21. September war jedoch der bislang schwerwiegendste, eine knapp vermiedene potenzielle Flugkatastrophe, die 358 Menschenleben hätte gefährden können.
Siehe auch: Vorfall am Flughafen Nizza: Untersuchungsbehörde BEA veröffentlicht vorläufigen Bericht
Die laufenden Ermittlungen müssen mehrere entscheidende Punkte klären, darunter:
- Warum hat eine so erfahrene Besatzung die beiden Landebahnen verwechselt, obwohl sie gegenüber der Flugsicherung wiederholt bestätigt hatte, dass sie auf 04L ausgerichtet waren?
- Unter welchen meteorologischen Bedingungen kam es zu dieser Verwechslung?
- Hat das A-SMGCS-System zwei Warnmeldungen ausgelöst, die auf einen möglichen Konflikt zwischen dem EasyJet- und dem Nouvelair-Flugzeug hingewiesen haben? Befand sich das Nouvelair-Flugzeug beim ersten Alarm in einer Höhe von 500 Fuß und 1,8 NM und beim zweiten Alarm in einer Höhe von 448 Fuß und 1 NM?
- Wenn ja, warum hat der Kontrollturm nicht sofort eine Durchstartprozedur angeordnet, die das Risiko hätte verringern können, zumal #eurocontrol den Fluglotsen empfiehlt, sofort einzugreifen, wenn das A-SMGCS-System einen Alarm auslöst?
Es war offensichtlich, dass der Fluglotse im Tower von Nizza nach Erhalt der Warnmeldung vermutete, dass das Flugzeug von Nouvelair möglicherweise auf die falsche Landebahn ausgerichtet war. Er hätte daher eine sofortige Fehllandung anweisen müssen, anstatt die Besatzung nach ihrer Ausrichtung zu fragen – eine Entscheidung, die im Nachhinein sowohl logisch als auch naheliegend erscheint.
In seiner vorläufigen Erklärung bestätigte das BEA, dass die Untersuchung mit einer eingehenden Überprüfung folgender Punkte fortgesetzt wird:
- Wetterbedingungen zum Zeitpunkt des Vorfalls
- Die RNP A- und VPT-Anflugverfahren für die Landebahnen 04L und 04R
- Die Unterschiede in der Beleuchtung der beiden Landebahnen während des Nachtbetriebs
- Das Verhalten sowohl der Flugbesatzungen als auch des Fluglotsen
- Das A-SMGCS-System, einschließlich seiner Zuverlässigkeit, der Betriebsverfahren und der ATC-Schulung
- Eine Überprüfung früherer Vorfälle von Verwechslungen der Landebahnen in Nizza (LFMN) und wie diese vom Flughafenbetreiber, den Fluggesellschaften und der DSNA (Direction des Services de la Navigation Aérienne) behandelt wurden
Als sofortige Sicherheitsmaßnahme hat die SNA-SE (Service de la Navigation Aérienne Sud-Est) alle nächtlichen VPT-Anflüge (Visual Procedure Turn) in Nizza ausgesetzt. Von nun an sind nach Einbruch der Dunkelheit nur noch Instrumenten- oder Präzisionsanflüge erlaubt.
Dieser Vorfall unterstreicht die entscheidende Bedeutung der Situationserkennung, insbesondere bei Nachtflügen, und die Notwendigkeit einer klaren visuellen und verfahrenstechnischen Unterscheidung zwischen parallelen Landebahnen. Selbst wenn die Verfahren akribisch befolgt werden, können menschliche Faktoren und visuelle Täuschungen immer noch zu gefährlichen Fehleinschätzungen führen. Dies erinnert uns einmal mehr daran, dass Flugsicherheit ein kontinuierlicher Lernprozess ist, der auf den Lehren aus Beinaheunfällen wie diesem aufbaut.
Weitere Einzelheiten finden Sie auf der Website der BEA.
Quelle und Bilder: Global Aviation Spotters – Tunisia HQ

