Qualleninvasionen immer früher an Tunesiens Küsten
Seit Anfang Juni werden mehrere tunesische Strände von Quallen heimgesucht. Die Qualleninvasionen sind ein frühzeitiges Phänomen, das auf die Erwärmung des Mittelmeers und die Verschlechterung des marinen Ökosystems zurückzuführen ist. Normalerweise tritt vermehrte Aktivität von Quallen erst Ende August oder Anfang September auf.
An vielen tunesischen Stränden wiederholt sich das gleiche Bild: Urlauber werden von Schwärmen von Quallen überrascht, die in Ufernähe treiben. Das für diese Jahreszeit ungewöhnliche Phänomen der Qualleninvasionen betrifft insbesondere die Küsten der Sahelzone, die südlichen Vororte von Tunis und das Cap Bon. Nach Beobachtungen von Fachleuten tauchten diese Quallen – insbesondere die beeindruckende, aber harmlose blaue Art und eine andere, kleinere Art mit schmerzhaften Stichen – bereits in den ersten Junitagen auf. Normalerweise treten sie jedoch erst Ende August oder Anfang September auf.
Das Mittelmeer erwärmt sich schneller als erwartet
Diese Veränderung ist ein alarmierender Indikator für die Umwälzungen, die das Mittelmeer derzeit erlebt. „Unsere Gewässer gehören heute zu den wärmsten der Welt“, erklärt Yassine Ramzi Sghaier, Experte für Meeresbiologie. Als Gast in der Sendung Ahla Sbeh am Freitag, den 27. Juni, warnt er: „Der Temperaturanstieg beschleunigt die Entwicklung der Quallen. “
Neben der globalen Erwärmung spielt auch die Meeresverschmutzung eine entscheidende Rolle. Einige tunesische Strände, die von organischen oder chemischen Abfällen betroffen sind, bieten Quallen einen besonders nährstoffreichen Lebensraum. Das Ergebnis: Ihre Vermehrung beschleunigt sich.
Überfischung und Ungleichgewicht im Ökosystem
Eine weitere verschärfende Ursache ist die Überfischung. Durch die Ausbeutung bestimmter Fischarten, die sich natürlicherweise von Quallen ernähren, wie Schildkröten oder bestimmte Thunfischarten, wird das ökologische Gleichgewicht gestört. „Es ist eine Kette: weniger Raubtiere, mehr Quallen”, fasst der Biologe zusammen. Und dieses Phänomen wird so schnell nicht aufhören. Nach mehreren wissenschaftlichen Prognosen könnte es im Mittelmeer in den kommenden Jahren zu immer längeren und intensiveren Vermehrungen kommen.
Yassine Ramzi erklärte, dass es mehrere Arten von Quallen gibt. Die derzeit an den tunesischen Stränden vorkommenden Quallen lassen sich in zwei Hauptarten unterteilen: eine große blaue Qualle, die beeindruckend, aber harmlos ist, und eine kleinere, deren Nesseln ein intensives Brennen auf der Haut verursachen.
Ein Phänomen, das zur Norm werden könnte
Das frühe Auftreten von Quallen an den tunesischen Küsten scheint keine Ausnahme mehr zu sein. Ohne wirksame Maßnahmen zur Begrenzung der globalen Erwärmung und zur Wiederherstellung der Meeresökosysteme könnten sich solche Vorfälle wiederholen und verschlimmern. Angesichts dieser Realität fordern Wissenschaftler und Umweltschützer eine bessere Überwachung der Gewässer, eine Verringerung der Küstenverschmutzung und eine vernünftige Bewirtschaftung der Fischbestände.
Wie kann man sich vor Quallenstichen schützen?
Im Falle des Kontakts mit Nesselfäden einer Qualle wird empfohlen, die betroffene Stelle nicht mit Sand zu reiben. Die Wunde sollte mit Meerwasser gespült und die an der Haut haftenden Fäden entfernt werden. Wenn der Stich eine toxische oder allergische Reaktion hervorruft, muss unverzüglich eine Apotheke oder ein Gesundheitszentrum aufgesucht werden.
An den Tentakeln einer Qualle finden sich bis zu 1.000 Nesselzellen pro Zentimeter, die ein Giftgemisch aus verschiedenen Proteinen enthalten. Bei Menschen verursacht die Nesselung starke Schmerzen. Auf der Haut hinterlässt der Kontakt mit den Tentakeln rote Quaddeln, die an einen Peitschenhieb erinnern. Die Quaddeln verschwinden erst nach zwei oder drei Tagen, der Schmerz lässt nach rund einer Stunde nach. Das Gift kann jedoch auch die Lymphknoten erreichen, wo es noch größere Schmerzen verursacht. Ein gesunder Erwachsener übersteht „Verbrennungen“ durch die Qualle ohne Lebensgefahr. Bei geschwächten Menschen oder Allergikern besteht die Gefahr eines allergischen Schocks, der tödlich enden kann. Medizinische Ratgeber empfehlen, einen Arzt aufzusuchen, wenn der Schmerz sehr stark ist oder länger anhält, die Wunden sich verschlimmern, wenn Krankheitsgefühle oder Entzündungssymptome auftreten.
Vorsicht ist auch bei angespülten Quallen geboten. Abgerissene Tentakel enthalten immer noch Nesselzellen, die noch mehrere Tage lang aktiv und gefährlich sein können. Zudem sollten auf keinem Fall die Stiche mit Essig oder Süßwasser ausgewaschen werden, sondern nur mit Salzwasser, sowie die Überreste der Tentakel vorsichtig zu entfernen. Dabei sollten die Tentakel nicht berührt werden, weil sie weiter nesseln können. Heißes Wasser oder heißer Sand über 45 °C lässt die Eiweiße des Gifts zersetzen. Behandelt wird mit Zinkgluconat.
Titelbild: Symbolfoto
Quelle: Webdo.tn