Tunesien: Der Staatspräsident ist verstorben. Wie geht es nun weiter?
Nach dem Tod des Präsidenten der Republik, Béji Caïd Essebsi, sind die für den 17. November 2019 geplanten Präsidentschaftswahlen hinfällig geworden. Nach den Regulierungen in der Verfassung muss innerhalb von 45 bis 90 Tagen ein neuer Präsident gewählt werden, das heißt, bis spätestens 24. Oktober diesen Jahres. Mittlerweile gab die Unabhängige Hohe Wahlbehörde (ISIE) bekannt, dass die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen am Sonntag, den 15. September 2019 stattfinden sollen.
Artikel 84 der tunesischen Verfassung sagt aus:
Im Falle einer vorübergehenden Verhinderung ohne Möglichkeit der Übergabe der Geschäfte tritt das Verfassungsgericht sofort zusammen und stellt die vorübergehende Vakanz fest. Der Ministerpräsident übernimmt dann für maximal 60 Tage sofort die Funktion des Präsidenten.
Im Falle einer Vakanz (temporäre Nichtbesetzung eines Postens) von mehr als 60 Tagen, des schriftlichen Rücktritts gegenüber dem Präsidenten des Verfassungsgerichts, des Todes, der dauernden Geschäftsunfähigkeit oder anderer Umstände, die eine dauerhafte Vakanz begründen, tritt das Verfassungsgericht sofort zusammen und stellt die dauerhafte Vakanz fest. Es unterrichtet den Parlamentspräsidenten, der vorübergehend für einen Zeitraum von 45 bis 90 Tagen die Funktion des Präsidenten übernimmt für einen Zeitraum von fünfundvierzig bis höchstens neunzig Tagen.
Nach Artikel 85 der Verfassung leistet der amtierende Interimspräsident der Republik im Falle einer endgültigen Vakanz den Verfassungseid vor der Versammlung der Volksvertreter und erforderlichenfalls vor dem Präsidium der Volksversammlung oder vor dem Verfassungsgericht im Falle der Auflösung des Parlaments.
Der Interimspräsident übt die Präsidentschaftsfunktionen während der vorläufigen oder endgültigen Vakanz aus, ist nach Artikel 86 der Verfassung jedoch nicht berechtigt, eine Revision der Verfassung einzuleiten, ein Referendum einzuberufen oder die Versammlung der Abgeordneten aufzulösen. Während der Zeit der vorläufigen Präsidentschaft wird ein neuer Präsident für eine volle Amtszeit gewählt, und es kann kein Misstrauensantrag gegen die Regierung eingereicht werden.
Tunesien ohne Verfassungsgericht
In allen Szenarien der Verfassung ist das Verfassungsgericht ein entscheidender Faktor. Allerdings hat Tunesien bisher noch kein Verfassungsgericht. Der Professor für Verfassungsrecht, Kamel Ben Messaoud, erklärte, dass das Gremium für die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesentwürfen die vorläufige Struktur sei, die am ehesten berechtigt ist, die endgültige Vakanz des Präsidenten der Republik in Abwesenheit des Verfassungsgerichts festzustellen.
Technisch gesehen ist die Wahlbehörde ISIE bereit, diese Wahl innerhalb der von der Verfassung gesetzten Frist zu organisieren, da sie auch schon die Parlamentswahlen am 6. Oktober organisiert. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Präsidentschaftswahlen am selben Tag, eine Woche später am 13. Oktober oder zwei Wochen später am 20. Oktober stattfindet. Diese Daten sind die einzigen, die der Verfassung entsprechen und den üblichen politischen und logistischen Entscheidungen nicht widersprechen.